Ein Lichtteilchen als Rechner: Forscher in Taiwan haben einen Computer auf Basis nur eines Photons entwickelt – es ist der kleinste Quantencomputer der Welt. Trotzdem kann dieser optische Quantenrechner komplexe mathematische Aufgaben lösen, beispielsweise die Zerlegung einer Zahl in Primzahlen mithilfe des Shor-Algorithmus. Möglich wird dies, weil das Photon 32 Dimensionen in Form optischer Modi aufweist, die Daten verarbeiten und speichern können. Anders als gängige Quantencomputer kommt der Ein-Photon-Quantenrechner ohne Kühlung aus.
Photonen sind schon lange nützliche Helfer der Quantenphysik: Sie lassen sich leicht erzeugen, verschränken und mittels Glasfaser oder Laserstrahl übertragen. Doch wenn es um das Rechnen mit Quantenbits geht, haben bisher andere Teilchen die Nase vorn: Die Qubits gängiger Quantencomputer bestehen meist aus supraleitenden Quantenpunkten oder aus in Laserfallen gefangenen Atomen und Ionen.
Der Nachteil jedoch: Solche Qubits müssen stark heruntergekühlt werden, damit sie nicht sofort ihre Kohärenz verlieren. Auch gegen externe Störeinflüsse reagieren sie hochsensibel. Anders bei Photonen: Die Lichtteilchen sind auch im verschränkten Zustand relativ robust gegenüber Störungen und benötigen keine Kühlung. Deshalb können sie auch über große Entfernungen hinweg übertragen werden.
Ein Photon mit 32 Speicheroptionen
Jetzt ist es Forschern erstmals gelungen, einen Quantencomputer zu entwickeln, der auf nur einem Photon basiert – es ist der kleinste Quantencomputer der Welt. Die gesamte Technik dieses Rechners passt in einen Schuhkarton und kommt ohne jede Kühlung aus. „Unsere Arbeit demonstriert die enorme Kapazität der Informationsverarbeitung eines solchen hochdimensionalen Quantensystems selbst für komplexe Quantenaufgaben“, berichten Hao-Cheng Weng und Chih-Sung Chuu von der Tsinghua University in Taiwan.
Kern ihres optischen Ein-Photon-Quantencomputers ist ein Lichtteilchen, das die Physiker durch verschiedene Wellenleiter und Glasfaserringe in unterschiedliche zeitabhängige Zustände versetzen können. Ähnlich wie die Polarisationsrichtung oder Phase repräsentieren diese zeitlichen Zustände zusätzliche Dimensionen, in denen Daten kodiert und gespeichert werden können. „Dieser hochdimensionale Zustand wird erreicht, indem wir das Wellenpaket eines einzelnen Photons modulieren“, erklären die Physiker.
Das Ergebnis ist ein Photon, das 32 Zustände und damit 32 Möglichkeiten der Datenverarbeitung und -speicherung besitzt. „Diese Kodierung von Information in einem zeitlich langestreckten Photon in 32 Zeitbehältern oder Dimensionen ist ein Rekord – noch nie wurden so viele in einem einzelnen Photon realisiert“, berichten Weng und Chuu. Sie vergleichen dies mit der Umwandlung eines Fahrrads in einen Bus, der nun 32 Menschen transportiert statt nur eines.
Photon zerlegt Primzahl mittels Shor-Algorithmus
„Es ist weltweit zudem das erste Mal, dass ein solches multi-dimensionales Photon genutzt wurde, um Quantenalgorithmen umzusetzen“, schreiben die Physiker. Denn durch gezielte optische Manipulationen kann ihr einzelnes Photon nicht nur Informationen transportieren – es kann auch Rechenoperationen durchführen. Im Experiment implementierten die Forscher dafür unter anderen zwei CNOT-Logikgatter in den Zuständen ihres Photons.
Als Beweis für die Rechenfähigkeiten des Ein-Photon-Rechners ließen Weng und Chuu ihn den Shor-Algorithmus ausführen – die Quantenoperation, durch die ein Quantencomputer Primzahlen in ihre Faktoren zerlegen kann. Im Test gelang es dem Ein-Photon-Quantencomputer, unter anderem die Zahl 15 in ihre Primzahl-Faktoren 5 und 3 zu zerlegen. „Wir haben damit eine kompilierte Version des Shor-Algorithmus mit einem einzigen Photon umgesetzt“, berichten Weng und Chuu.
Neue Möglichkeiten für optische Quantenrechner
Nach Ansicht der beiden Physiker eröffnet ihre Technik neue Möglichkeiten, das optische Quantencomputing voranzubringen. Denn anders als einige bisherige Ansätze, in denen Laserpulse aus vielen Photonen verwendet wurden, sei ein multidimensionales Photon als Rechnerbasis besser kontrollierbar. Mithilfe kommerziell erhältlicher elektrooptischer Modulatoren sei es zudem schon möglich, einem Photon mehr als 5.000 „Zeitbehälter“ aufzuprägen.
Die Informationskapazität ihres Ein-Photon-Rechners weiter zu erhöhen, ist nun das nächste Ziel der beiden Physiker. Sie wollen dann noch komplexere Quantenaufgaben mit nur einem Lichtteilchen absolvieren. (Physical Review Applied, 2024; doi: 10.1103/PhysRevApplied.22.034003)
Quelle: Physical Review Applied, National Tsing Hua University